PDF als zwingendes Dateiformat elektronischer Dokumente
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Nach der am 19.9.2024 veröffentlichten Entscheidung des BFH vom 30.8.2024, V R 1/24, ist ein elektronisches Dokument jedenfalls bei führender elektronischer Akte nur dann im Sinne des § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet, wenn es in einem der in § 2 Abs. 1 der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV) genannten Dateiformate in der elektronischen Poststelle des Gerichts eingegangen ist. Ein Dokument, das bei einem Gericht nicht in dem nach § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO i.V.m. § 2 Abs. 1 ERVV vorgeschriebenen Dateiformat PDF eingereicht wird, ist danach nicht formgerecht und wird nicht wirksam an das Gericht übermittelt. Eine Verletzung dieser Formvorschrift begründet grundsätzlich ein die Wiedereinsetzung nach § 56 FGO hinderndes Verschulden, da für solche Fälle bereits die Vorschrift des § 52a Abs. 6 FGO eine verschuldensunabhängige Heilung vorsieht.
Sachverhalt:
Mit Urteil vom 21.12.2023 wies das FG die Klage des Klägers ab und ließ die Revision zu. Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, einer Steuerberatungsgesellschaft/Partnerschaftsgesellschaft und damit einer anerkannten Berufsausübungsgesellschaft im Sinne des § 50 des Steuerberatungsgesetzes, am 28.12.2023 zugestellt. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers übermittelte die Revisionsschrift als Word-Dokument-Datei in dem Format DOCX am 25.1.2024 über ihr besonderes elektronisches Steuerberaterpostfach (beSt) an die elektronische Poststelle des BFH.
Mit Schreiben vom selben Tag wies die Geschäftsstelle des V. Senats des BFH die Prozessbevollmächtigte gegen elektronisches Empfangsbekenntnis darauf hin, dass § 2 ERVV eine Übermittlung elektronischer Dokumente im Dateiformat PDF oder TIFF erfordere und die Nachricht der Prozessbevollmächtigten vom 25.1.2024 nicht diesem Erfordernis entspreche. Zugleich wies die Geschäftsstelle auf § 52a Abs. 6 FGO hin. Eine Nachricht der Prozessbevollmächtigten des Klägers über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach an das elektronische Postfach der Verwaltung des BFH (besonderes elektronisches Behördenpostfach ??beBPo??) enthielt ausweislich des Prüfvermerks vom 26.1.2024 im Anhang eine Datei in dem Format ZIP, in der wiederum das Schreiben der Geschäftsstelle vom 25.1.2024 an die Prozessbevollmächtigte in dem Dateiformat PDF enthalten war.
Am 27.2.2024 übermittelte ein vertretungsberechtigter Gesellschafter der Prozessbevollmächtigten die von ihm qualifiziert elektronisch signierte Revisionsbegründungsschrift als Datei in dem Format PDF über sein beSt an das beBPo des BFH, die dort am selben Tag einging. Die Revisionsbegründungsschrift wurde am 28.2.2024 zur elektronischen Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist nach § 124 Abs. 1 Satz 2 FGO unzulässig, denn sie wurde nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt (§ 124 Abs. 1 Satz 1 FGO). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO ist nicht zu gewähren.
Ein elektronisches Dokument ist jedenfalls bei führender elektronischer Akte nur dann im Sinne des § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet, wenn es in einem der in § 2 Abs. 1 ERVV genannten Dateiformate in der elektronischen Poststelle des Gerichts eingegangen ist. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV ordnet nach seinem Wortlaut („ist“) das für die Übermittlung als elektronisches Dokument zu verwendende Dateiformat verpflichtend an. Ein Dokument, das bei einem Gericht nicht in dem nach § 52a Abs. 2 Satz 1 FGO i.V.m. § 2 Abs. 1 ERVV vorgeschriebenen Dateiformat PDF eingereicht wird, ist danach nicht formgerecht und wird nicht wirksam an das Gericht übermittelt. Der BFH schließt sich damit der Rechtsprechung anderer Bundesgerichte an (vgl. BAG v. 25.8.2022, 6 AZR 499/21, BAGE 178, 343, Leitsatz und Rz 45; BGH v. 3.5.2022, 3 StR 89/22, Zeitschrift für Wirtschaft- und Steuerstrafrecht 2022, 389; BGH v. 8.3.2022, VI ZB 25/20, NJW 2022, 1820; BGH v. 14.5.2020, X ZR 119/18, NZA 2020, 1199).
Danach hat der Kläger im Streitfall die Frist zur Einlegung der Revision versäumt. Das Urteil des FG ist dem Kläger am 28.12.2023 zugestellt worden. Die Frist zur Einreichung der Revision endete mit Ablauf des 29.1.2024. Die am 25.1.2024 über das beSt als Word-Dokument-Datei eingereichte Revisionsschrift hat die Frist nicht gewahrt, da sie als elektronisches Dokument nicht im Sinne des § 52a Abs. 2 FGO i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 ERVV für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet war.
Die Formunwirksamkeit der Revisionsschrift ist nicht nach § 52a Abs. 6 FGO geheilt. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat trotz des schriftlichen Hinweises der Geschäftsstelle des beschließenden Senats vom 25.1.2024 auf das fehlerhafte Dateiformat und auf die Unwirksamkeit des Eingangs nach § 52a Abs. 6 FGO das fehlerhaft eingereichte Dokument nicht in dem Dateiformat PDF nachgereicht.
Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 FGO ist nicht zu gewähren. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat schuldhaft die Frist zur Einlegung der Revision versäumt. Angehörige der rechts und steuerberatenden Berufe müssen in der Regel das Verfahrensrecht kennen (BFH v. 31.10.2023, IV B 77/22, BFH/NV 2024, 20). Eine Verletzung dieser Formvorschrift begründet zudem grundsätzlich ein die Wiedereinsetzung nach § 56 FGO hinderndes Verschulden, da für solche Fälle bereits die Vorschrift des § 52a Abs. 6 FGO eine verschuldensunabhängige Heilung vorsieht.
Beratungshinweis:
Der elektronische Rechtsverkehr hat neben vielen Vorteilen auch seine Schattenseiten. Die strikten formalen Anforderungen gehören dazu. So behandelt auch die vorliegende Entscheidung zum Verfahrensrecht einen Formfehler bei der Einlegung der Revision beim BFH - konkret wegen Übermittlung im falschen Dateiformat. Die Regelung des 52a Abs. 2 Satz 1 FGO i.V.m. § 2 Abs. 1 ERVV schreibt für die Übermittlung als elektronisches Dokument das Dateiformat PDF vor. Bestätigt wird dies durch den Regierungsentwurf eines Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer prozessrechtlicher Vorschriften zum mit § 52a Abs. 2 FGO wortgleichen Entwurf des § 130a Abs. 2 ZPO und zu § 2 Abs. 1 ERVV, nach dem die Übermittlung im Dateiformat PDF zwingend ist (BT-Drucks 19/28399, S. 33 und 40). Der Gesetzgeber hat insoweit die für die Bearbeitung der elektronischen Dokumente maßgeblichen Anforderungen bundeseinheitlich und verbindlich festgelegt und hierdurch Rechtssicherheit in der elektronischen Kommunikation mit der Justiz geschaffen (vgl. schon BR-Drucks 818/12, S. 32; BR-Drucks 645/17, S. 11 f.).
Der Zwang zur Verwendung dieses Dateiformats entspricht weiter dem Sinn und Zweck der Regelung. Neben dem Gericht soll auch der Verfahrensgegner mit dem eingereichten Schriftsatz arbeiten können. Ihm ist zwar zuzumuten, seine technische Ausstattung auf die Vorgaben der Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung auszurichten, nicht aber, sich zusätzlich auf weitere Formate einstellen zu müssen. Der Gesetzgeber hat sich bewusst gerade für das Dateiformat PDF entschieden, weil dieses von den verbreiteten Computersystemen gelesen und regelmäßig ohne Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes dargestellt werden kann. Es bietet Schutz vor Schadsoftware, ist barrierefrei und auch insoweit für die Kommunikation im elektronischen Rechtsverkehr gut geeignet (BR-Drucks 645/17, S. 12).
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Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln
Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 38/2024 vom 24.09.2024 veröffentlicht.