Individuelle Netzentgeltgestaltung - § 19 Abs. 2 StromNEV

Die Abrechnung der Netznutzungsentgelte erfolgt in Deutschland grundsätzlich auf Basis behördlich genehmigter und einheitlich festgelegter Entgeltstrukturen. Diese dienen der Kostendeckung und der Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zum Stromnetz. Allerdings hat der Gesetzgeber mit § 19 der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) eine Regelung geschaffen, die stromintensiven Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen erhebliche Entlastungen ermöglicht. Ein individuell gestaltetes Netzentgelt kann insbesondere für energieintensive Betriebe einen bedeutsamen Wettbewerbsvorteil darstellen. Die Inanspruchnahme dieser Vergünstigung setzt jedoch eine sorgfältige Prüfung und fristgerechte Antragstellung voraus.

Voraussetzungen für individuelle Netzentgelte:

Unternehmen, die von der standardisierten Netzentgeltstruktur abweichen möchten, müssen spezifische Verbrauchsmerkmale aufweisen. Es ist zu unterscheiden zwischen der atypischen (§ 19 Abs. 2 Satz 1 StromNEV) und der intensiven Netznutzung (§ 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV).

Die atypische Netznutzung nach Satz 1 erfordert, dass die Jahreshöchstlast eines Letztverbrauchers erheblich von der zeitgleichen Jahreshöchstlast aller Entnahmen innerhalb derselben Netz- oder Umspannebene abweicht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Spitzenlast in nachweislich lastschwache Zeiträume fällt. Netzbetreiber veröffentlichen hierzu jährlich Hochlastzeitfenster, anhand derer Unternehmen ihr Lastprofil prüfen können. Liegt eine atypische Netznutzung vor, besteht ein Anspruch auf ein individuelles Netzentgelt, das zwischen Netzbetreiber und Letztverbraucher vertraglich festgelegt wird. Die Untergrenze dieses Entgelts liegt bei 20 % des regulären Netzentgelts.

Demgegenüber betrifft Satz 2 Letztverbraucher mit einer intensiven Netznutzung. Erreicht ein Letztverbraucher an einer Abnahmestelle jährlich mindestens 7.000 Benutzungsstunden und einen Stromverbrauch von 10 Gigawattstunden, hat er einen gesetzlichen Anspruch auf ein reduziertes Netzentgelt.

Erfüllt ein Unternehmen diese Anforderungen, ist der Netzbetreiber verpflichtet, ein individuelles Netzentgelt anzubieten. Dabei gelten gestaffelte Mindestanteile am regulären Netzentgelt:

  • Mindestens 7.000 Benutzungsstunden: Reduzierung auf bis zu 20 % des regulären Entgelts

  • Mindestens 7.500 Benutzungsstunden: Reduzierung auf bis zu 15 % des regulären Entgelts

  • Mindestens 8.000 Benutzungsstunden: Reduzierung auf bis zu 10 % des regulären Entgelts

Wichtige Fristen zur Beantragung individueller Netzentgelte:

Die Inanspruchnahme eines individuellen Netzentgelts setzt eine fristgerechte Anzeige und Nachweisführung voraus:

  • Spätestens bis zum 30. September des ersten betroffenen Kalenderjahres muss die Anzeige der Netzentgeltvereinbarung bei der Regulierungsbehörde eingereicht werden. Eine verspätete Anzeige kann dazu führen, dass das reduzierte Netzentgelt für das betreffende Jahr nicht gewährt wird.

  • Bis zum 30. Juni des Folgejahres muss der Nachweis erfolgen, dass die erforderlichen Verbrauchswerte tatsächlich erreicht wurden.

Versäumnisse in diesem Zusammenhang können dazu führen, dass Unternehmen ihren Anspruch auf ein reduziertes Netzentgelt verlieren. 

Berechnung des individuellen Netzentgeltes:

Die Bundesnetzagentur stellt auf ihrer Webseite ein Berechnungstool zur Verfügung, das Unternehmen bei der Ermittlung ihres potenziellen individuellen Netzentgelts unterstützt.

 Rechtliche Herausforderungen:

Trotz der möglichen Einsparpotenziale ist die Inanspruchnahme individueller Netzentgelte mit nicht unerheblichen Herausforderungen verbunden:

  • Fristversäumnisse: Eine verspätete Anzeige kann dazu führen, dass das reduzierte Netzentgelt nicht mehr gewährt wird.

  • Fehlende Nachweise: Kann das Unternehmen die erforderliche Benutzungsstundenzahl oder den Mindestverbrauch nicht nachweisen, droht der Verlust des Vergünstigungsanspruchs.

  • Netzbetreiberverhandlungen: In der Praxis kommt es häufig zu divergierenden Auffassungen zwischen Unternehmen und Netzbetreibern hinsichtlich der Berechnungsmethodik und der Entgeltreduzierung.

  • Regulatorische Entwicklungen: Die StromNEV unterliegt regelmäßigen Anpassungen, sodass Unternehmen sich fortlaufend über mögliche Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen informieren sollten.

 Rechtliche Beratung:

Unsere Kanzlei verfügt über umfassende Erfahrung im Energierecht und unterstützt Sie in allen Fragen der Netzentgeltgestaltung. Wir begleiten Sie bei der Prüfung Ihrer Anspruchsvoraussetzungen, der Kommunikation mit Netzbetreibern sowie der fristgerechten Anzeige und Nachweisführung gegenüber der Bundesnetzagentur.

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