Zwischen Täuschung und Fairness: Die rechtliche Seite von „Greenwashing“ und unlauterem Wettbewerb

Wer heutzutage Kunden ansprechen will, fährt oft gut damit, sich umweltbewusst und grün zu geben. Unternehmen bewerben ihre Produkte gerne mit Begriffen wie „klimaneutral“, „CO2-neutral“ oder „CO2-kompensiert“; der am Klimaschutz interessierte Verbraucher kauft solche Produkte gerne.

Irreführende, geschäftliche Handlungen

Aus juristischer Sicht sind solche Begriffe jedoch nicht unproblematisch. Die undifferenzierte Verwendung ist bereits mehrfach Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten geworden. Aus unternehmerischer Sicht gibt es durch die bereits ergangenen Entscheidungen bei der Werbung einiges zu beachten.

Die relevanten Normen für Werbung mit klimaschutzbezogenen Schlagwörtern stammen aus dem Wettbewerbsrecht und stehen im UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Relevant sind die irreführenden, geschäftlichen Handlungen nach § 5 UWG sowie die Irreführung von Verbrauchern durch Unterlassen gemäß § 5a UWG.

Begrifflichkeiten wie „klimaneutral“ oder „CO2-kompensiert“ werden von mehreren Oberlandesgerichten regelmäßig nicht als Irreführung im Sinne des § 5 UWG verstanden. Nach § 5 Abs. 1 UWG liegt eine solche vor, wenn eine geschäftliche Handlung vorgenommen wird, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Bei Begriffen wie „klimaneutral“ und „CO2-kompensiert“ sei dem durchschnittlichen Verbraucher klar, dass es sich um einen ergebnisorientierten Begriff handele, der sowohl durch CO2-vermeidende Produktion als auch durch nachträgliche Kompensation - z.B. im Wege des Zertifikathandels - erreicht werden kann. Unschädlich ist dann, dass die eigentliche Produktion der Ware gar nicht „klimaneutral“ ist. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass eine abweichende und strengere Bewertung solcher Werbepraktiken von einigen Gerichten der ersten Instanz bereits vertreten wurde.

Besondere Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher

Allerdings ist bei der Verwendung solcher Begriffe Vorsicht in Bezug auf bestimmte Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher geboten. Ein Hersteller kann mit der kontextlosen Verwendung solcher Schlagwörter wesentliche Informationen im Sinne des § 5 a UWG vorenthalten. Nach § 5 a UWG handelt unlauter, wer dem Verbraucher eine unter Berücksichtigung aller Umstände wesentliche Information vorenthält, die er benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Die juristische Streitfrage ist dann, was eine wesentliche Information im Zusammenhang mit Schlagwörtern wie „klimaneutral“, „CO2-neutral“ oder „CO2-kompensiert“ aus Verbrauchersicht ist.

Der Maßstab für die Beantwortung dieser Frage lautet wie folgt: Zu einer Umweltbegrifflichkeit ist jene Information zu stellen, deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann und der für die vom Verbraucher zu treffende geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht zukommt. Dabei reicht es nicht aus, dass die Information für die Entscheidung des Verbrauchers bloß von Bedeutung sein kann. Der Information muss grade das genannte erhebliche Gewicht für die Entscheidungsfindung zukommen. Letztendlich bestimmt sich die Wesentlichkeit einer Information durch eine Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.

Beispiel: CO2-kompensiert ist nicht gleich emissionsfrei

Wie zuletzt im Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 24.03.2023 (Az.: 38 O 92/22) entschieden, sei der Begriff „CO2-kompensiert“ ohne weitere Information insoweit missverständlich, als dass dabei häufig vom Verbraucher nicht erkannt werde, dass bei der Produktion von Waren auch andere Emissionen als CO2 anfallen können. Damit kann es sich, trotz CO2-Kompensation, um ein Produkt handeln, dessen Produktion in der Bilanz Treibhausgase produziert hat. Ebenso ergebe sich aus dem Begriff nicht, dass seitens des Herstellers unter Umständen nur ausgewählte Emissionen kompensiert wurden. Begründet ist dies in der allgemeinen Redensart, CO2-Neutralität mit Klimaneutralität gleichzusetzen. Es fehlt dem durchschnittlichen Verbraucher zudem an Spezialwissen über die verschiedenen Arten von Treibhausgasen. Notwendig seien zudem Informationen zur Art und Weise der CO2-Kompensation. Auch erläutert werden müsse beim Begriff „CO2-kompensiert“, falls eine Umrechnung von Emissionen unterschiedlicher Art auf einen zusammenfassenden Wert in der Einheit CO2 erfolgt ist.

Beispiel: Klimaneutralität, aber welche Art?

Der Begriff „Klimaneutralität“ fordere Informationen über die Art und Weise der Klimaneutralität, da diese einen großen Einfluss auf die Kaufentscheidung habe. Eine eigene Recherche könne dem Verbraucher oftmals schon aus Zeitgründen nicht zugemutet werden. „Klimaneutralität“ suggeriere, dass mehr als nur nachträgliche Kompensationsmaßnahmen seitens des Herstellers geleistet wurden. Da mehrere Arten des Klimaschutzes bekannt sind, muss die konkrete Form benannt werden, um keine Irreführung darzustellen.

Beispiel: Verwendung von unspezifischen Zertifikaten

Auch die kontextlose Nutzung von Zertifikaten lege „Greenwashing“ nahe. Wird mit Zertifikaten geworben, bestehe ein allgemeines Informationsbedürfnis des Rechtsverkehrs über deren Hintergründe. Auch müsse unter Umständen erläutert werden, ob bestimmte Emissionen von der CO2-Bilanz ausgenommen wurden.

Informieren – aber wie?

Werbende sind gehalten, die entsprechenden Informationen auf der eigenen Internetseite oder durch einen QR-Code bereitzustellen. Dabei muss ein hinreichend konkreter Hinweis auf die entsprechenden Informationen und deren Abrufbarkeit bei Verwendung der beschriebenen Begriffe erfolgen. Im Falle des Unterlassens drohen potentielle Klagen.

Die beschriebenen Grundsätze sind eine nicht abschließende Zwischenbilanz bisheriger Rechtsprechung, wobei auf eine höchstrichterliche Entscheidung über das Thema „Greenwashing“ noch zu warten ist. Für Werbetreibende gilt: Nötig ist stets die Prüfung im Einzelfall, ob griffige Werbung mit grünen Schlagwörtern wettbewerbsrechtlich zulässig ist.

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