Zulässigkeit einer Prüfungsanordnung gemäß § 193 Abs. 1 AO gegenüber den Erben des verstorbenen Unternehmers

Nach der am 8.9.2022 veröffentlichten Entscheidung des BFH v. 15.6.2022, X B 87/21 (AdV) muss es für die Finanzbehörde nach dem Zweck des § 193 Abs. 1 AO die Möglichkeit geben, die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann zu prüfen, wenn sie ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben haben; gleiches gilt beim Tod des Unternehmers. Die Rechtmäßigkeit einer Außenprüfung bei den Gesamtrechtsnachfolgern ist nicht davon abhängig, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Steuernachforderungen aus einer früheren Außenprüfung streitig sind. Die Zulässigkeit einer Außenprüfung bei den Erben hängt nicht von dem Gegenstand sowie der (voraussichtlichen) Intensität und Komplexität der Prüfung ab.

Sachverhalt:

Die Antragsteller sind zu je ½ Erben ihres im Dezember 2016 verstorbenen Vaters (V), der bis zu seinem Tod als Einzelunternehmer ein Bauunternehmen betrieb und hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielte. Mit Prüfungsanordnung vom 22.1.2019 setzte das Finanzamt eine die steuerlichen Verhältnisse des V (mehrere Steuerarten und Feststellungen) betreffende Außenprüfung für die Streitjahre 2014 bis 2016 an, die es an die Antragsteller als Vertreter der Erben nach V mit Wirkung für alle Miterben und Gesamtrechtsnachfolger nach V richtete.

Den Antrag der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Prüfungsanordnung für die Jahre 2014 bis 2016 hat das vorinstanzliche Hessische Finanzgericht mit Beschluss v. 8.6.2021 (8 V 229/21) abgelehnt.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgen die Antragsteller ihr AdV-Begehren nun beim BFH ohne Rüge von Verfahrensfehlern lediglich mit der Begründung weiter, die Prüfungsanordnung sei aus mehreren Gründen (offensichtlich) rechtswidrig.

Entscheidungsgründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Nach Ansicht des erkennenden Senats bestehen im Streitfall keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Prüfungsanordnung, die insbesondere auch gegenüber den Antragstellern als Gesamtrechtsnachfolgern des V ergehen durfte.

Für die Finanzbehörde muss es die Möglichkeit geben, die steuerlichen Verhältnisse früherer Unternehmer auch dann nach § 193 Abs. 1 AO zu prüfen, wenn sie ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben haben. Gleiches gilt beim Tod des Unternehmers für dessen Erben. Auf diesen geht als Gesamtrechtsnachfolger die Steuerschuld des Erblassers und damit auch die Verpflichtung aus Steuernachforderungen über (§ 45 Abs. 1 AO); soweit die Steuerschuld auf der unternehmerischen Betätigung des Erblassers beruht, kann bei ihm auch eine Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO stattfinden (vgl. BFH v. 9.5.1978, VII R 96/75 BStBl II 1978, 501; v. 24.8.1989, IV R 65/88, BStBl II 1990, 2; v. 14.3.2005, IV B 84/03, BFH/NV 2005, 1477). Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass der Erbe Steuerschuldner geworden sei und die aus dieser Stellung erwachsenen Pflichten erfüllen müsse; hierzu gehöre auch die Duldung einer Außenprüfung.

Soweit die Antragsteller der bisherigen Rechtsprechung die Voraussetzung entnehmen wollen, dass eine Prüfung bei den Erben nur dann möglich sei, wenn bei einer vorangegangenen Prüfung erhebliche Steuernachforderungen rechtskräftig festgestellt worden seien, trifft dies nicht zu. Da es bei der Frage der Zulässigkeit einer Außenprüfung bei den Gesamtrechtsnachfolgern auf die steuerlichen Ergebnisse einer vorangegangenen Außenprüfung nicht ankommt, ist es vorliegend in rechtlicher Hinsicht unerheblich, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Steuernachforderungen aus der früheren Außenprüfung einer finanzgerichtlichen Prüfung standhalten werden.

Auch soweit die Antragsteller die Zulässigkeit einer Außenprüfung bei den Erben von dem Gegenstand sowie der (voraussichtlichen) Intensität und Komplexität der Prüfung abhängig machen wollen, konnte der erkennende Senat dem nicht folgen. Denn eine solche Unterscheidung würde dem Sinn und Zweck einer steuerlichen Außenprüfung – der umfassenden Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse beim (ehemaligen) Gewinnermittler – zuwiderlaufen.


Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln

Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 36/2022 v. 12.09.2022 veröffentlicht (www.stollfuss.de/newsletter).

Dr. Alexander Kersten