Besteuerung von Ausschüttungen in der Organschaft bei wechselseitiger Beteiligung

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Nach der am 27.11.2023 veröffentlichten Entscheidung des FG Köln vom 15.6.2023, 10 K 1196/17, sind auch im Fall wechselseitiger Beteiligungen im Organkreis die Beteiligungsgrenzen im Sinne des § 8b Abs. 4 KStG bzw. § 9 Nr. 2a GewStG anzuwenden und können eine Doppelbesteuerung auslösen. Auch für organschaftlich verbundene Unternehmen stellen diese Regelungen - als bewusste gesetzgeberische Entscheidung - daher eine Ausnahme von der Einmalbesteuerung dar.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine geschäftsleitende Holding, die über mehrere Tochtergesellschaften weltweit Dienstleistungen anbietet. Eine ihrer 100%igen Tochtergesellschaften ist die Z-GmbH (nachfolgend Organgesellschaft -- OG --). Zwischen den beiden Gesellschaften besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und eine ertragsteuerliche Organschaft. Die OG erwarb in der Vergangenheit bei außerplanmäßigem Ausscheiden von Gesellschaftern der Klägerin (etwa bei Tod oder Kündigung eines Gesellschafters) die Gesellschaftsanteile der ausscheidenden Gesellschafter an der Klägerin, mit dem Ziel, die Geschäftsanteile später wieder an neu eintretende Gesellschafter der Klägerin zu veräußern. Das hierdurch begründete - wechselseitige - Beteiligungsverhältnis bestand auch im Zeitpunkt der jeweiligen Beschlüsse über die Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 2013 und 2014. Zu diesen Zeitpunkten war die OG zu 0,713% bzw. 3,5% an der Klägerin beteiligt. In den Jahren 2014 und 2015 wurden auf der Grundlage dieser Beschlüsse Gewinnausschüttungen an die OG vorgenommen. Vom Finanzamt wurde der in den Streitjahren aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages abgeführte Gewinn der OG - inklusive der Gewinnausschüttungen aus der Beteiligung an der Klägerin - bei der Klägerin der Besteuerung mit Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer unterworfen.

Einsprüche gegen die entsprechenden Bescheide blieben ebenso wie ein Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO erfolglos. Das Finanzamt vertrat insoweit die Auffassung, dass die Gewinnausschüttungen der Klägerin an die OG nach § 8b Abs. 4 KStG i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 8 Nr. 5 GewStG i.V.m. § 9 Nr. 2a GewStG steuerpflichtig seien, da die gesetzlichen Mindestbeteiligungsquoten von 10% (KStG) bzw. 15% (GewStG) nicht erreicht seien. Eine abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 AO komme nicht in Betracht, da kein Fall der sachlichen Unbilligkeit vorliege, weil die doppelte Steuerbelastung nicht auf einer Entscheidung des Gesetzgebers beruhe. Vielmehr habe der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Tatbestands des § 8b Abs. 4 KStG die Möglichkeit einer Mehrfachbesteuerung bewusst in Kauf genommen.

Hiergegen richtet sich die Klage beim FG Köln.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Sind die verbundenen Unternehmen - wie hier - Teile einer körperschaftsteuerlichen Organschaft, gelten bei der Ermittlung des der Klägerin nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zuzurechnenden Einkommens der OG nach § 15 KStG folgende Besonderheiten: Abweichend von den allgemeinen Vorschriften sind nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 KStG bei der Organgesellschaft § 8b Abs. 1 bis 6 KStG nicht anzuwenden. Vielmehr ist der Gewinn der Organgesellschaft selbständig und ungeschmälert um darin enthaltene Bezüge nach § 8b Abs. 1 KStG zu ermitteln und sodann dem Organträger nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zuzurechnen (sog. Bruttozurechnung). Dieses dem Organträger zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft wird nach § 14 Abs. 5 Satz 1 KStG gegenüber dem Organträger und der Organgesellschaft einheitlich und gesondert festgestellt. Sodann ist der brutto zugerechnete Gewinn beim Organträger den zuvor ausgeschlossenen allgemeinen Vorschriften zu unterwerfen. Sind in dem dem Organträger nach § 14 KStG zugerechneten Einkommen Bezüge, Gewinne oder Gewinnminderungen i.S. des § 8b Abs. 1 bis 3 KStG enthalten, ist § 8b KStG nach § 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 KStG bei der Ermittlung des Einkommens des Organträgers anzuwenden. Für die Anwendung der Beteiligungsgrenze im Sinne des § 8b Abs. 4 KStG (in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.10.2011 in der Rechtssache C-284/09 vom 21.3.2013 (BGBl. I S. 561) werden Beteiligungen der Organgesellschaft und Beteiligungen des Organträgers getrennt betrachtet (§ 15 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 KStG).

Die auf den Ausschüttungen der Klägerin an die OG beruhenden Beteiligungserträge sind unstreitig Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG. Diese Bezüge waren gemäß § 8b Abs. 4 KStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung auch bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin in voller Höhe zu berücksichtigen und der Klägerin nach §§ 14, 15 Satz 1 Nr. 2 KStG zuzurechnen, da die OG zu Beginn des jeweiligen Streitjahres zu weniger als 10 % an der Klägerin beteiligt war. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 8b Abs. 4 KStG bestehen nicht (vgl. BFH v. 18.12.2019, I R 29/17, BStBl. II 2020, 690). Entgegen der Auffassung der Klägerin gebietet der Grundsatz der Einmalbesteuerung im Organkreis keine einschränkende Auslegung des § 8 Abs. 4 i.V.m. § 14 KStG dahingehend, dass bei einer wechselseitigen Beteiligung der Organgesellschaften die betreffenden Beteiligungserträge freizustellen sind. § 8b Abs. 1 KStG ist Ausdruck der Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu besteuern und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen (BFH v. 18.12.2019, I R 29/17, BStBl II 2020, 690). Diese durch die ausdrückliche Inbezugnahme in § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG auch für Organschaften geltende gesetzgeberische Grundentscheidung wird durch den hier streitigen § 8b Abs. 4 KStG ganz bewusst zur Herstellung einer europarechtskonformen Rechtslage durchbrochen. Dabei ist diese Vorschrift - ebenso wie die Grundentscheidung des § 8b Abs. 1 KStG - in verfassungsrechtlich zulässiger Weise typisierend angelegt (BFH-Urteil v. 18.12.2019, I R 29/17, BStBl II 2020, 690) und nach ihrem Wortlaut unterschiedslos auf alle Streubesitzverhältnisse anzuwenden. Auch für organschaftlich verbundene Unternehmen stellt § 8b Abs. 4 KStG daher eine Ausnahme von der Einmalbesteuerung dar. Weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien lassen erkennen, dass der Gesetzgeber hiervon für den Fall der wechselseitigen Organschaft eine Ausnahme hätte machen wollen. Vielmehr war sich der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drucks. 17/11717) möglicher unerwünschter Auswirkungen durchaus bewusst, die er aber in Kauf genommen hat, um eine EU-Rechts konforme Gesetzeslage herzustellen.

Gleiches gilt für die Gewerbesteuer. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Freistellung des ihr insoweit zuzurechnenden Betrages von den streitigen Beteiligungserträgen nach § 2 Abs. 2 Satz 2GewStG nicht geboten. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH (z.B. BFH-Urteil v. 27.9.2006, IV R 50/98, BFH/NV 2007, 239; v. 17.12.2014, I R 39/14, BStBl II 2015, 1052; v. 7.9.2016, I R 9/15, BFH/ NV 2017, 485, jeweils m.w.N) § 2 Abs. 2 Satz 2GewStG stets eine geeignete Grundlage unberechtigte doppelte steuerliche Be- oder Entlastungen im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis zu korrigieren. Erfasst werden nach der Zielrichtung der Vorschrift ungerechtfertigte Doppelerfassungen oder ungerechtfertigten Nichterfassungen, die gerade wegen der getrennten Ermittlung und der anschließenden Zusammenrechnung zu einer Doppel- oder Nichterfassung führen. Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr sind die Vorschriften in § 15 Satz 1 Nr. 2 und § 8b Absätze 1 und 4 KStG ebenso wie § 7 und § 9 Nr. 2a GewStG hinsichtlich der hier streitigen Beteiligungserträge lückenlos aufeinander abgestimmt. Insbesondere liegt auch gerade der Zweck des § 9 Nr. 2a GewStG - soweit die Beteiligung mindestens 15% beträgt - in der Vermeidung der gewerbesteuerlichen Doppelbelastung (BFH v. 24.1.2012, I B 34/11, BFH/NV 2012, 700), wobei die Kürzung ganz bewusst für alle unter 15% liegenden Beteiligungen ausgeschlossen worden ist, unabhängig von deren Unternehmensstruktur.

Auch die Anträge der Klägerin hilfsweise in den Streitjahren nach § 163 AO die Körperschaftsteuern und die Gewerbesteuern unter Außerachtlassung der Beteiligungserträge niedriger festzusetzen bzw. die Körperschaftsteuer betreffend bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung nach § 14 Abs. 5 KStG die streitigen Beteiligungserträge unberücksichtigt zu lassen, konnten keinen Erfolg haben.

Beratungshinweis

Der erkennende 10. Senat des FG Köln ließ die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Klärung der Anwendbarkeit von § 8b Abs. 4 KStG auf wechselseitig verbundene Organkreise zu. Allerdings erfolgte keine Revisionseinlegung durch die Klägerin, so dass die Entscheidung rechtskräftig ist.

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Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln

Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 48/2023 vom 05.12.2023 veröffentlicht.