Umfang des Anspruchs auf Herausgabe von Informationen im Rahmen einer Außenprüfung
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Nach der am 30.11.2023 veröffentlichten Entscheidung des FG Düsseldorf v. 9.2.2022, 4 K 641/20 AO, kann ein Steuerpflichtiger nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO vom Finanzamt Auskunft über die ihn betreffenden personenbezogenen Daten erhalten, die beispielsweise im Rahmen einer Außenprüfung für den Prüfungszeitraum von ihm erhoben worden sind. Ein allgemeines Akteneinsichtsrecht oder die Auskunft über Methoden und Kriterien sowie die Tragweite und Auswirkungen der verwaltungsinternen Datenverarbeitung bei der Außenprüfung besteht über den Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO nicht.
Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt ein Einzelunternehmen und erzielt hieraus Einkünfte aus Gewerbebetrieb. In 2019 führte das Finanzamt bei der Klägerin eine Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2015 bis 2017 durch. Die Klägerin stellte dem Prüfer Aufzeichnungen auf maschinell lesbaren Datenträgern zur Verfügung. Im Zuge der Prüfung wandte sich das Finanzamt an die Klägerin und bat hinsichtlich von ihm festgestellter angeblicher Mängel der Buchführung der Klägerin um Erläuterungen. Die Klägerin gab daraufhin eine Stellungnahme ab und bat das Finanzamt ihrerseits um folgende Auskünfte:
• Erläuterung der technischen Abläufe von Datenübernahme, Bearbeitung der Rohdaten bis zur Auswertung und Interpretation
• Export aller Daten, die das Finanzamt im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung eingelesen und erzeugt habe, inkl. der erstellten Kalkulationen und Metadaten nach Art. 15 Abs. 1 Buchstabe h DSGVO
• Verfahrensdokumentation u.a. durch Beschreibung der sachlogischen Lösung, der programmtechnischen Lösung, der Wahrung der Programmidentität, einer Beschreibung, wie die Integrität von Daten gewahrt werde und der Arbeitsanweisungen für den Anwender
Mit Bescheid vom 13.2.2020 lehnte das Finanzamt den Antrag ab, soweit über die bisher mitgeteilten Prüfungsfeststellungen hinaus Auskunft erteilt werden solle. Einer weitergehenden Auskunft stehe das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 32c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 32b Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AO und § 32a Abs. 2 AO entgegen.
Eine Herausgabe aller verarbeiteten Daten, insbesondere von der Datenübernahme über die Bearbeitung bis hin zu den Auswertungen und deren Interpretationen, der Re-Export aller von der Klägerin überlassenen Daten zu Prüfungszwecken, die Zurverfügungstellung aller Daten im Excel-Format sowie eine Verfahrensdokumentation über die vorgenommenen Verarbeitungsregeln würden die Klägerin in die Lage versetzen, die Aufdeckung steuerlich bedeutsamer Sachverhalte wesentlich zu erschweren. Sie würde insbesondere in die Lage versetzt, steuerlich bedeutsame Sachverhalte zu verschleiern, steuerlich bedeutsame Spuren zu verwischen und/oder Art und Umfang der Erfüllung steuerlicher Mitwirkungspflichten auf den Kenntnisstand der Finanzbehörden einzustellen.
Ein Anspruch auf die Herausgabe von Informationen nach Art. 15 Abs. 1 Buchst. h DSGVO bestehe nur dann, wenn eine automatisierte Entscheidungsfindung vorliege. Das Vorliegen einer automatisierten Verarbeitung stelle noch keine automatisierte Entscheidungsfindung dar. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass auch die Unterrichtungspflicht nach § 199 Abs. 2 AO nicht die Herausgabe von Unterlagen beinhalte, sondern sich in der nachvollziehbaren Erläuterung der Prüfungsfeststellungen erschöpfe.
Hiergegen richtet sich die Klage beim FG Düsseldorf.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat nur teilweise Erfolg.
Das Finanzamt ist verpflichtet, der Klägerin Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten zu erteilen, die für den Prüfungszeitraum der Jahre 2015 bis 2017 im Rahmen der die Gewerbesteuer, Einkommensteuer und Umsatzsteuer betreffenden Außenprüfung von ihr erhoben worden sind. Denn gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO hat die betroffene Person ein Recht auf Auskunft über die sie betreffenden personenbezogenen Daten.
Das beklagte Finanzamt hat personenbezogene Daten der Klägerin im Rahmen der Außenprüfung verarbeitet. Nach Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Zur Verarbeitung gehört nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Auskunft über die Methoden und Kriterien sowie die Tragweite und Auswirkungen der Datenverarbeitung bei der Außenprüfung. Bereits seinem Wort laut nach begründet Art. 15 Abs. 1 DSGVO für die Klägerin als betroffener Person nur das Recht auf Auskunft über ihre personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Der Wortlaut entspricht dem Zweck der Regelung, der betroffenen Person ein Auskunftsrecht über ihre personenbezogenen Daten zu geben, das sie in angemessenen Abständen wahrnehmen kann, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit und Richtigkeit überprüfen zu können (63. Erwägungsgrund zur DSGVO).
Damit kann sie gegebenenfalls hinsichtlich ihrer personenbezogenen Daten die Berichtigung, die Löschung oder die Einschränkung ihrer Verarbeitung nach den Art. 16 bis 18 DVGO verlangen (vgl. EuGH v. 17.7.2014, Rs. C-141/12 und C-372/12, ECLI:EU:C:2014:2081 Rn. 44 zur Richtlinie 95/46/EG). Schlussfolgerungen aus diesen Daten werden von dem Auskunftsrecht nicht erfasst. Dementsprechend vermittelt Art. 15 Abs. 1 DSGVO keinen allgemeinen Auskunftsanspruch über aus den personenbezogenen Daten von der Finanzverwaltung generierte Daten (Sächsisches FG v. 8.5.2019, 5 K 337/19, EFG 2020, 661).
Die Klägerin hat ebenfalls keinen Anspruch darauf, dass sie das Finanzamt in die vom Prüfer bei der Außenprüfung vorgenommenen Schritte von der Datenübernahme über die Bearbeitung der Rohdaten bis hin zur Auswertung und deren Interpretation einweist. Art. 15 Abs. 1 DSGVO begründet nur einen Anspruch auf Auskunft über personenbezogene Daten und weitere in Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO genannte Informationen.
Einen Anspruch auf Einweisung in Arbeitsschritte vermittelt die Vorschrift nicht. Darüber hinaus handelt es sich bei den in der Außenprüfung vorgenommenen Schritten von der Datenübernahme über die Bearbeitung der Rohdaten bis hin zur Auswertung und deren Interpretation nicht um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO und auch nicht um hierauf bezogene Informationen im Sinne des Art. 15 Abs. 1 Buchst. a bis h DSGVO. Das Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO dient nicht der Schaffung eines Zugangs zu Verwaltungsdokumenten oder der Offenlegung einer Verfahrensdokumentation (EuGH v. 17.7.2014, Rs. C-141/12 und C 372/12, ECLI:EU:C:2014:2081, Rn. 39 ff., 46; BVerwG v. 16.9.2020, 6 C 10.19, HFR 2021, 419).
Beratungshinweis:
Die heutige Besprechungsentscheidung zum Verfahrensrecht beschäftigt sich mit dem Auskunftsrecht nach Art. 15 DSGVO, der dem Betroffenen grundsätzlich ein „Recht auf Auskunft“ gewährt. Die Erfüllung dieses Anspruchs („Ob“ der Auskunftserteilung) steht nicht im Ermessen der Finanzbehörde. Das „Wie“ der Auskunftserteilung wird durch Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DSGVO jedoch nicht geregelt, so dass hieraus allein kein allgemeines Akteneinsichtsrecht abgeleitet werden kann.
Im vorliegenden Streitfall verlangte die Klägerin sehr weitreichende Informationen bis hin zu verwaltungsinternen Abläufen im Rahmen der Datenverarbeitung und Verfahrensdokumentation. Dies lehnte das FG Düsseldorf ab. Wie auch bereits in anderen finanzgerichtlichen Entscheidungen (z.B. Sächsisches FG v. 8.5.2019, 5 K 337/19, EFG 2020, 661; FG Baden-Württemberg v. 26.7.2021, 10 K 3159/20, eNews 2021 v. 13.09.2021) wurde der Umfang des Auskunftsanspruchs mit Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG weiter konturiert. Die Revision wurde nicht zugelassen, weil die Rechtssache nach Ansicht des erkennenden Senats insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hatte. Denn die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG geklärt.
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Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln. Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 48/2023 vom 05.12.2023 veröffentlicht