Einkünftekorrektur bei Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen
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Nach der am 27.6.2024 veröffentlichten Entscheidung des BFH vom 10.4.2024, I R 67/23, ist für die Beurteilung der steuerlichen Anerkennung einer Teilwertabschreibung auf Rückzahlungsansprüche bei Kapitalüberlassungen im Konzern entscheidend, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaft übergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war oder ob die Beteiligten im Sinne einer ernstlichen Abrede von der Überlassung von Kapital auf Zeit ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine inländische OHG, an der ausschließlich juristische Personen beteiligt waren. Sie war in den Jahren 2002 und 2004 (Streitjahre) Alleingesellschafterin der A S.R.L. (A), einer italienischen Kapitalgesellschaft. Gegenüber dieser Gesellschaft war 2002 eine nicht besicherte Forderung aus einem Kontokorrentkredit offen, die im Jahr 2002 und in den Folgejahren verzinst wurde.
Zum 31.12.2002 verzichtete die Klägerin gegen Besserungsschein auf einen Teil der Forderung. In der Folge stieg die Forderung bis Ende 2004 wieder an. Die Klägerin verzichtete sodann erneut gegen Besserungsschein auf einen Teil der Forderung. Die Beträge entsprachen dem nach Ansicht der Ver- tragsbeteiligten jeweils wertlosen Teil der Forderung. Diese Teilbeträge wurden zwar in der jeweiligen Bilanz der Klägerin gewinnmindernd ausgebucht, jedoch hat das Finanzamt die Gewinnminderungen nach § 1 Abs. 1 AStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung bei der Einkommensermittlung neutralisiert.
Die Klage hatte Erfolg (Urteil des Hessischen FG v. 29.8.2018, 2 K 1744/16, EFG 2019, 1363). Der erkennende I. Senat des BFH hat auf die Revision des Finanzamts mit Urteil vom 14.8.2019 (I R 34/18, BFH/NV 2020, 757) die FG-Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat gegen jenes Urteil erfolgreich Verfassungsbeschwerde eingelegt. Das BVerfG hat das Senatsurteil aufgehoben und die Sache an den BFH zurückverwiesen (BVerfG-Beschluss v. 8.11.2023, 2 BvR 1079/20, IStR 2024, 139). Die Beteiligten haben sich zur Sach- und Rechtslage (nunmehr unter dem Aktenzei- chen I R 67/23) erneut geäußert.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache ist an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Im Streitfall hat es die Vorinstanz unterlassen, ausreichende Feststellungen zur steuerrechtlichen Qualifizierung der streitgegenständlichen Kapitalüberlassungen als Einlagen oder Darlehen zu treffen. Das Fehlen ausreichender Feststel lungen stellt einen materiellen Mangel des Urteils dar, der auch ohne Rüge zur Aufhebung der Vorentscheidung führt.
Bei der Beurteilung von Kapitalüberlassungen zwischen verbundenen Unternehmen muss unterschieden werden, ob das zugeführte Kapital dauerhaft in das Vermögen der empfangenden Gesellschaftübergehen sollte und eine Rückzahlung nicht beabsichtigt war (BFH v. 6.11.2003, IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416) oder ob die Beteiligten im Sinne einer ernstlichen Abrede von der Überlassung von Kapital auf Zeit ausgegangen sind und davon ausgehen konnten, dass der Darlehensvertrag durchgeführt, insbesondere also das Darlehen zurückgezahlt wird. Für diese Abgrenzung sind nur objektiv überprüfbare Umstände heranzuziehen; im Übrigen ist von den fremdüblichen Voraussetzungen einer Darlehensgewährung auszugehen (vgl. zum Ganzen Senatsurteile v. 17.12.2014, I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 13.1.2022, I R 15/21, BStBl. II 2023, 675).
Die Abgrenzung zwischen Darlehen und Einlage kann im Streitfall nicht dahinstehen:
Im Falle einer Einlage hätten sich insoweit die Anschaffungskosten der Klägerin auf die Beteiligung an der A erhöht. Eine gewinnmindernde Teilwertabschreibung auf diese Beteiligung wäre gemäß § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung ausgeschlossen; die Klage wäre bereits aus diesem Grunde abzuweisen gewesen.
Im Falle der Ausbuchung einer betrieblich veranlassten Darlehensforderung hängt die Steuerwirksamkeit der Teilwertabschreibung indes davon ab, ob die Voraussetzungen für eine Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG erfüllt sind und eine nach nationalrechtlichen Maßstäben durchzuführende Einkünftekorrektur mit den Vorgaben des Unionsrechts vereinbar ist (vgl. dazu im Einzelnen Senatsurteil v. 13.1.2022, I R 15/21, BStBl. II 2023, 675, m.w.N.). Da es aber bereits in tatsächlicher Hinsicht ungewiss ist, ob § 1 AStG im Streitfall mit Blick auf eine Darlehenshingabe überhaupt zur Anwendung kommen kann, sieht der Senat von der Prüfung ab, ob das Unionsrecht einer Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG entgegenstehen könnte.
Im zweiten Rechtsgang wird das FG in rechtlicher wie tatsächlicher Hinsicht zu prüfen haben, ob die Kapitalüberlassungen als Darlehen zu qualifizieren sind.
Beratungshinweis:
Gegenstand der Besprechungsentscheidung war die Frage, ob und in welcher Höhe Teilwertabschreibungen auf Darlehensrückzahlungsansprüche steuerlich zu berücksichtigen sind, wenn die Darlehenshingabe von einer inländischen Muttergesellschaft an eine italienische Tochtergesellschaft ohne Besicherung erfolgte. Nach dem Instanzenzug bis zum BVerfG stellt sich im zweiten Rechtsgang nun die Frage, ob die streitgegenständlichen Kapitalüberlassungen als Einlagen oder Darlehen zu qualifizieren sind. Zur Einordung und Würdigung des Falles vgl. die ausführliche Anmerkung von Böwing-Schmalenbrock in EFG 2019, 1363 ff.
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Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln
Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 26/2024 vom 02.07.2024 veröffentlicht.