Erreichen der Beteiligungsschwelle gem. § 8b Abs. 4 S. 6 KStG beim sog. Blockerwerb (von mehreren Veräußerern)
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Nach der am 11.1.2024 veröffentlichten Entscheidung des BFH vom 6.9.2023, I R 16/21, kann die in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG angeführte Beteiligungsschwelle (10 % des Grund- oder Stammkapitals) durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht werden, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.
Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob § 8b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 bis 7 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Jahr 2014 (Streitjahr) geltenden Fassung (KStG) auf Ebene einer Mitunternehmerschaft anwendbar ist, wenn die beteiligungsvermittelnde Mitunternehmerstellung (12,94 % des Kommanditkapitals) unterjährig in drei zeitgleichen Rechtsgeschäften von drei unterschiedlichen Veräußerern erworben worden ist, wobei die jeweils erworbenen Teil-Kommanditanteile die Beteiligungsschwelle von 10 % für sich genommen jeweils nicht erreicht hätten.
Nach erfolglosem Einspruch gegen den entsprechenden Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für 2014 vom 10.8.2016, der keine nach § 8b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 KStG steuerbefreite Ausschüttung bei der betroffenen Mitunternehmerin berücksichtigte, gab das Hessische FG der Klage statt (Hessisches Finanzgerichts vom 15.3.2021, 6 K 1163/17, EFG 2021, 1225). Hiergegen wendet sich die Revision des Finanzamts.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg. Nach Ansicht des erkennenden Senats hat das vorinstanzliche FG hat dem Klagebegehren ohne Rechtsfehler entsprochen, da die in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG angeführte Beteiligungsschwelle (10 % des Grund- oder Stammkapitals) durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht werden kann, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.
Höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist die zur Auslegung des in § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG verwendeten Tatbestandsmerkmals des unterjährigen „Erwerb(s) einer Beteiligung von mindestens 10 %“ bestehende Frage, ob beziehungsweise unter welchen Voraussetzungen ein Erwerb von jeweils unterhalb der genannten Beteiligungsschwelle liegenden Anteilspaketen von mehreren Verkäufern, wenn aber in der Summe der Erwerbe die genannte Beteiligungsschwelle überschritten wird, von der (begünstigenden) Norm erfasst ist (hierzu mit unterschiedlicher Auffassung aus dem Schrifttum u.a. Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8b KStG Rn. 137; Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8b Rn. 289b).
Dies ist auch für den Fall umstritten, dass der Erwerb - wie im Streitfall - nach Art eines „Blockerwerbs“ von mehreren Veräußerern in einer notariellen Urkunde zusammengefasst wird und in einem einheitlichen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht, während die Tatbestandsmäßigkeit für diesen Fall aber teilweise auch bejaht wird (z.B. Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8b Rn. 289b). Der erkennende Senat kann die Auslegungsfrage zur generellen Anwendbarkeit des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG bei mehreren (Teil-)Erwerben mit Blick auf die Besonderheiten des Streitfalls offengelassen, denn die in der Regelung angeführte Beteiligungsschwelle wird durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind. Hierfür sprechen sowohl die Entstehungsgeschichte (vgl. BR-Drucks 632/1/12, S. 33) als auch der Normzweck.
Das vorinstanzliche FG hat ausdrücklich festgestellt, dass die im Streitfall maßgebliche (mittelbare) Beteiligung von der Klägerin von mehreren Veräußerern „aufgrund eines einheitlichen Entschlusses durch ein einheitliches schuldrechtliches Rechtsgeschäft“ erworben worden ist. Denn der Erwerb (in einer einheitlichen notariellen Urkunde) beruht auf einem einheitlichen Erwerbsentschluss und ist auf einen einheitlichen Erwerbszeitpunkt erfolgt. Es ist deshalb in der Sache davon auszugehen, dass im Streitfall ein aus der Sicht der Erwerberin wirtschaftlich einheitlicher Erwerbsvorgang vorlag, der der Regelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG unterfällt.
Beratungshinweis:
Der heutige Besprechungsfall zur Körperschaftsteuer behandelt die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung des § 8b Abs. 4 Satz 6 KStG zum steuerbefreienden Erreichen der Beteiligungsschwelle beim sog. Blockerwerb. Der erkennende I. Senat des BFH lässt die Ausnahme zugunsten der Klägerin zu, da - mit Blick auf die Besonderheiten des Streitfalls - die Beteiligungsschwelle durch einen aus Sicht des Erwerbers wirtschaftlich einheitlichen Erwerbsvorgang auch dann erreicht wird, wenn an diesem Vorgang mehrere Veräußerer beteiligt sind.
Der BFH hat mit Urteil vom 18.12.2019 (I R 29/17, BStBl II 2020, 690) entschieden, dass § 8b Abs. 4 KStG verfassungskonform ist (die gegen das Urteil erhobene Verfassungsbeschwerde war erfolglos, s. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8.3.2022, 2 BvR 1832/20, nicht veröffentlicht). Die Norm durchbricht zwar im Sinne einer nicht folgerichtigen Ausgestaltung die in § 8b Abs. 1 KStG zum Ausdruck kommende Grundentscheidung des Gesetzgebers, im System des Halb- beziehungsweise Teileinkünfteverfahrens erwirtschaftete Gewinne nur einmal bei der erwirtschaftenden Körperschaft mit Körperschaftsteuer und erst bei der Ausschüttung an natürliche Personen als Anteilseigner mit Einkommensteuer zu belasten und deswegen zur Vermeidung von Kumulations- oder Kaskadeneffekten in Beteiligungsketten Bezüge innerhalb gesellschaftlicher Beteiligungsstrukturen bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz zu lassen. Allerdings erfüllt die Norm auch die (strengeren) verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen qualifizierten Fiskalzweck, soweit sie sinngemäß der Herstellung einer unionsrechtskonformen Rechtslage zur Abgrenzung der Besteuerungshoheiten betroffener Staaten dient, auch wenn im Gesetzgebungsverfahren die Haushaltskonsolidierung im Vordergrund gestanden haben mag.
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Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln. Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 02/2024 vom 16.01.2024 veröffentlicht.