Verdeckte Gewinnausschüttung - Anscheinsbeweis für die Privatnutzung eines von der GmbH an den Alleingesellschafter- Geschäftsführer überlassenen PKW bei Privatnutzungsverbot

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Nach der am 1.9.2023 veröffentlichten Entscheidung des FG Münster vom 28.4.2023, 10 K 1193/20 K,G,F, ist für die körperschaftsteuerliche Beurteilung des Vorliegens einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) weiter von dem Grundsatz (Anscheinsbeweis) auszugehen, dass der dem alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH überlassene Pkw nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig nicht ausschließlich betrieblich, sondern tatsächlich auch privat genutzt wird, wenn die Möglichkeit dazu besteht. Die vorliegend im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausgesprochene Untersagung der Nutzung des Fahrzeugs für private Fahrten steht dem für eine Privatnutzung streitenden Anscheinsbeweis nicht entgegen.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH). Einziger Gesellschafter und Alleingeschäftsführer der GmbH ist Herr A. Im Anstellungsvertrag des Geschäftsführers aus 2012 haben die GmbH und A unter anderem Folgendes vereinbart: „Der Geschäftsführer hat Anspruch auf die Gestellung eines Pkw der gehobenen Mittelklasse. Er darf den Pkw nicht privat nutzen. Betriebs- und Unterhaltungskosten trägt die Gesellschaft.“

Im Rahmen der Körperschaftsteuerveranlagung für 2016 nahm das Finanzamt für das durch A genutzte Firmenfahrzeug eine private Mitnutzung durch den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer an und rechnete außerbilanziell eine vGA in Höhe von 4.000 € dem zu versteuernden Einkommen der GmbH hinzu.

Nach erfolglosem Einspruch wandte sich die Klägerin an das FG Münster.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Nach Ansicht des erkennenden Senats hat das Finanzamt zu Recht aufgrund eines von der Klägerin nicht erschütterten Anscheinsbeweises im Zusammenhang mit der privaten Nutzung des Firmenwagens eine vGA gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG außerbilanziell hinzugerechnet.

Der I. Senat des BFH ist in seiner Rechtsprechung bislang davon ausgegangen, dass für die Privatnutzung eines dem Gesellschafter-Geschäftsführer von der Gesellschaft zur Nutzung überlassenen betrieblichen Fahrzeugs ein Anscheinsbeweis greift (vgl. etwa BFH v. 23.1.2008, I R 8/06, BStBl. II 2012, 260; v. 17.7.2008, I R 83/07, BFH/NV 2009, 417). Danach spricht aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein (Allein-)Gesellschafter-Geschäftsführer einen ihm zur Verfügung stehenden betrieblichen Pkw auch für private Fahrten nutzt. Dies gilt auch dann,wenn entweder keine vertragliche Vereinbarung über eine Privatnutzung geschlossen worden ist oder aber bei einem im Geschäftsführer-Anstellungsvertrag ausdrücklich vereinbarten Privatnutzungsverbot, insbesondere dann, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer kein Fahrtenbuch führe, keine organisatorischen Maßnahmen getroffen würden, die eine Privatnutzung des Fahrzeugs ausschließen, und eine unbeschränkte Zugriffsmöglichkeit des Gesellschafter-Geschäftsführers auf den Pkw bestehe. Es widerspreche insoweit der Lebenserfahrung, dass, wenn eine Fahrt teils betrieblichen Zwecken, teils privaten Zwecken dient, das Fahrzeug gewechselt wird. Nach der Lebenserfahrung sei vielmehr davon auszugehen, dass gerade das Fahrzeug genutzt wird, das zur Verfügung steht.

Dagegen vertritt der VI. Senats des BFH die Auffassung, dass für lohnsteuerliche Zwecke bereits die bloße Gestattung der Privatnutzung unabhängig von den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen beim Arbeitnehmer den Zufluss eines geldwerten Vorteils begründe und im Zuge dessen eine Anwendung des Anscheinsbeweises abzulehnen sei. Danach streite der Anscheinsbeweis nur dafür, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zur privaten Nutzung überlassener Pkw auch tatsächlich privat genutzt werde, aber nicht dafür, dass dem Arbeitnehmer überhaupt ein betriebliches Fahrzeug vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werde oder dass er einen solchen unbefugt auch privat nutze. Dies gilt nach Ansicht des VI. Senats des BFH auch für einen angestellten Gesellschafter-Geschäftsführer, dem die Nutzung des ihm von der GmbH als Arbeitgeber überlassenen Pkw zu privaten Zwecken ausdrücklich untersagt worden ist. Danach gebe es keinen auf der allgemeinen Lebenserfahrung gründenden Erfahrungssatz, nach dem ein angestellter Gesellschafter-Geschäftsführer generell arbeitsvertraglich vereinbarte Nutzungsverbote nicht achten werde. Selbst wenn er in Ermangelung einer „Kontrollinstanz“ bei einer Zuwiderhandlung keine arbeitsrechtlichen oder gar strafrechtlichen Konsequenzen zu erwarten habe, rechtfertige dies keinen entsprechenden steuerstrafrechtlich erheblichen Generalverdacht. Dass der Arbeitgeber ein arbeitsvertraglich vereinbartes Privatnutzungsverbot nicht überwache, ändere hieran nichts (vgl. z.B. BFH v. 21.4.2010, VI R 46/08, BStBl. II 2010, 848; v. 21.3.2013, VI R 46/11, BStBl. II 2013, 1044;). Diese Grundsätze hat der VI. Senat des BFH auch auf den Fall eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH angewendet (vgl. BFH v. 8.8.2013, VI R 71/12, BFH/NV 2014, 153).

Innerhalb der finanzgerichtlichen Rechtsprechung sind u.a. das FG Berlin-Brandenburg (Urteil v. 3.9.2013, 6 K 6154/10, EFG 2013, 1955) und das FG Köln (Urteile v. 15.9.2016, 10 K 2497/15, EFG 2016, 2081 und v. 8.12.2022, 13 K 1001/19, eNews 17/2023 vom 2.5.2023) der Rechtsprechung des VI. Senats des BFH für alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer nicht gefolgt. Danach seien die vom VI. Senat des BFH zur lohnsteuerlichen Behandlung aufgestellten Grundsätze nicht auf die Ebene der GmbH für Zwecke der Prüfung einer vGA an den alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer übertragbar, so dass hier weiterhin ein für die private Pkw-Nutzung sprechender Anscheinsbeweis gelte.

Auch der erkennende Senat folgt für den hier vorliegenden Fall eines alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführerseiner GmbH der Rechtsprechung des VI. Senats nicht und legt vielmehr insoweit weiterhin die bisherige Rechtsprechung des I. Senats des BFH sowie die vorgenannte finanzgerichtliche Rechtsprechung zugrunde. Er wendet daher für Zwecke der Prüfung des Vorliegens einer vGA auf der Ebene der Gesellschaft für die Privatnutzung eines dem Alleingesellschafter-Geschäftsführer zur Verfügung stehenden Firmenwagens die Grundsätze des Anscheinsbeweises an. Aufgrund des Anscheinsbeweises steht zur Überzeugung des Gerichts im Streitfall fest, dass der A als Alleingesellschafter-Geschäftsführer den betrieblichen Pkw auch privat genutzt hat. Die Klägerin hat diesen Anscheinsbeweis nicht entkräften können.

Hinweis

Das heutige Besprechungsurteil behandelt erneut den Anscheinsbeweis für die private Kfz-Nutzung durch den Alleingesellschafter-Geschäftsführer trotz vereinbartem Privatnutzungsverbot. Diese Privatnutzung führt bei der GmbH zu einer vGA. Der erkennende 10. Senat des FG Münster bleibt mit seiner Entscheidung auf der Linie des BFH (Körperschaftsteuersenat), der neueren Rechtsprechung der Finanzgerichte Berlin-Brandenburg und Köln sowie der herrschenden Meinung im Schrifttum. Ausweg für die vGA wäre in diesem Fall wohl nur ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch gewesen. So war es hier für den 10. Senat des FG Münster nicht objektiv überprüfbar, wie die betrieblichen Pkw jeweils tatsächlich genutzt worden sind. Dies ging zu Lasten der Klägerin, die insofern hätte Beweisvorsorge treffen sollen bzw. können; bspw. durch die Führung eines Fahrtenbuches oder sonstiger Aufzeichnungen, wenngleich auch diese Hürde nach den strengen Formalien, die mit der Fahrtenbuchführung einhergehen, nur schwer zu nehmen ist.

Der Autor: Dr. Alexander Kersten - Rechtsanwalt, Steuerberater und geschäftsführender Partner bei STEIN Rechtsanwälte Steuerberater in Köln

Der Beitrag wurde mit freundlicher Genehmigung des Stollfuß Verlags – Zweigniederlassung der Lefebvre Sarrut GmbH – zur Verfügung gestellt. Der Beitrag wurde im Newsletter eNews Steuern, Nr. 36/2023 vom 12.09.2023 veröffentlicht.